Pu-erh-Tee: Über die wohl temperierte Spiritualität Vietnams


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Asien Tee Herkunft“. Drei Wörter, unscheinbar, klein, kohärent. Basierend auf dieser Google-Suchanfrage buchte ich im November 2019 meine Reise nach Vietnam.

Und dafür bist du nach Vietnam gefahren? Warum nicht nach China?“, fragte mich Yen voller Verwunderung. Eine Frage ohne Antwort. Aber nun war ich hier. In einem Viertel abseits des Trubels von Hanoi. Mir gegenüber saßen Yen und Hom, die Inhaber des „Hien Minh Teehaus“. Und ich nahm gerade an einer Teezeremonie teil.

Wofür steht Tee eigentlich wirklich?

Tee ist im Grunde genommen ein Genussmittel, das aus Blättern und Knospen der Teepflanze gebrüht wird. In dem Moment, in dem Hom – der „Tea Master“ – zur Meditation aufruft und bedächtig die Klangschale bespielt, wird mir jedoch mit einem Schlag auch die spirituelle Kraft des Tees bewusst.

Marmor-Teetisch mit drei Tee-Tassen und einer Teekanne - daneben zwei kleine Mini-Schildkröten.

Tee versteht sich als Medium zwischen den Kulturen, welches imaginäre Brücken zu überbrücken weiß. Es ist die eine große Leidenschaft, welche alle Personen dieses Raumes verbindet. Tee wird nicht nur getrunken, nein, genossen, gar zelebriert. Ein schönes Gefühl.


Von Lotusblüten und uralten Bäumen

Die Lotusblüte sei nicht nur ein ikonisches Symbol Vietnams, sondern auch des Buddhismus, erzählte mir Yen. Im Zuge solcher Teezeremonien gedenke man nicht nur den Vorfahren, sondern auch jenen, denen man nahe stünde. Man reinige seine Seele und gelange zu innerer Ruhe, so die zuvorkommende Vietnamesin.

Drei Tee-Tische mit vielerlei Tee-Zubehör.

In regelmäßigen Abständen reisen Yen und Hom zu den Gipfeln Hà Giangs, welche nahe der chinesischen Grenze gelegen sind. Nur dort, so die beiden, bekäme man die notwendigen Materialien für ihr umfangreiches Repertoire an Tee-Köstlichkeiten, wie den „Pue-erh Tee“. Nach und nach erfuhr ich, in welch erlesener Handarbeit der Tee des Hauses entsteht.

Dass die Blüten und Knospen von den vierhundertjährigen altertümlichen Bäumen stammen würden, die von jeder Generation mit größter Andacht und Liebe gepflegt worden seien. Dass für die Fertigung eines einzigen Kilogramms des „Lotusblüten Grüntees“ – das Aushängeschild des Teehauses – Pollen von rund 1.400 Lotusblüten benötigt werden würden. Dass sie nur Blüten der Baumkrone verwenden würden, da dies die qualitativ hochwertigsten seien. Der Preis pro Kilogramm liegt hier wenig verwunderlich bei rund 700,- EUR.


Der Rotwein unter den Teesorten: Pu-erh

Auf einen Tee des Repertoires hatte ich von Beginn an ein Auge geworfen: Der 1992er Pu-erh-Tee aus den „Hà Giang“-Bergen. Jener stammt ebenfalls von den altertümlichen Teebäumen und versteht sich als hochfermentierter Tee, der seit 1992 in Bambus-Fässern gelagert wurde. Durch den hohen Reifegrad erreicht dieser spezielle Tee nicht nur ein wunderbares bernsteinfarbiges Aussehen, sondern auch leicht süßliche sowie erdige Geschmacksnuancen.

Tee-Tisch mit Tee-Kanne, Dekantier-Kanne, Tea-Cup und Tee-Gebäck.

Als mir Yen das erste Teeservice brachte, staunte ich nicht schlecht: Ein Bambustablett mit zwei Teekannen sowie rund 5 Gramm Pu-erh-Tee – die Tee-Zubereitung nach Gong-Fu-Art war in wenigen Minuten erklärt.


Rückzugsort und Erholung

Ich bekam zahlreiche Einblicke in die vietnamesische Kultur, Arbeitswelt und sogar Politik. Ich spielte mit ihrem vierjährigen Sohn und unterhielt mich mit anderen Gästen. Man gewährte mir einen Platz am familiären Mittagstisch und teilte Brot sowie (natürlich!) Tee mit mir.

Ich erkannte schnell, dass die beiden in ihren vorherigen Berufen unzufrieden waren – rastlose Seelen, ständig auf der Suche nach ihrer „wahren Bestimmung“. Bis sie den Sprung in die Selbstständigkeit wagten und sich ihren Traum verwirklichten. Auslöser sei dein Wink des Schicksals gewesen, so Yen: Der Sieg bei den „Vietnamese Tea Masters 2016“ – einem regionalen Tee-Wettbewerb.

Paul Herzog sitzt in einem vietnamesischen Tee-Haus am Boden und genießt die vietnamesische Tee-Kultur.

Das „Hien Minh Tee House“ verstand sich durch und durch als Rückzugsort für Tee-Conaisseure. Die Inneneinrichtung versprühte aufgrund der am Boden liegenden Pölster einen überaus gemütlichen Charme. Ruhigen Gewissens konnte man abschalten, die Zeit genießen und sich bei Speis und Trank eine Auszeit vom hektischen Hanoier Alltag nehmen.


Wie geht es weiter?

Ich werde mit Yen und Hom jedenfalls weiter in Kontakt bleiben und auch in Zukunft meinen Tee in Vietnam bestellen – auch wenn dies ob der anfallenden Zoll-Gebühren ein teures Vergnügen ist.

Die Gastfreundschaft und Offenheit der Beiden hat mir gezeigt, welch wunderbarer Geist einer Teezeremonie zugrunde liegen kann – und sie haben vor allem eines geschafft: Sie haben meine Vietnamreise zu einem wahrhaft unvergesslichen Erlebnis gemacht.

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